Der Kampf der Giganten – Neujahresvorsätze und die Macht der Gewohnheit

Welche guten Vorsätze haben Sie sich für das Neue Jahr oder vielleicht gleich für das neue Jahrzehnt vorgenommen – irgendwas mit mehr Sport, digital detox und weniger Arbeiten und dafür das Leben genießen? Wir alle wissen oft sehr genau, was uns gut tun würde und wie wir mehr Zufriedenheit, Glück und Gesundheit in unser Leben bringen könnten, doch warum fällt es uns oft so schwer, unsere guten Vorsätze und Ziele in die Tat umzusetzen?

Unsere Gewohnheiten lassen sich nicht bewusst steuern.

Der natürliche Feind jedes Neujahresvorsatzes sind unsere Gewohnheiten, also jene Verhaltensweisen, die wir regelmäßig in einem stabilen Kontext ausüben, ohne viel darüber nachzudenken oder abzuwägen. Forscher gehen davon aus, dass zwischen 30 und 50 Prozent unseres täglichen Handelns durch Gewohnheiten bestimmt werden und das macht durchaus Sinn (Stangl 2020). Die alltägliche Konfrontation des Menschen mit neuen und komplexen Abläufen erfordert Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Konzentration, wobei das menschliche Gehirn danach strebt, möglichst viel von seinen Aufgaben zu routinisieren. Ohne Gewohnheiten wäre das Gehirn von den Details des Alltags häufig überfordert und schon mit dem morgendlichen Zähneputzen so beansprucht, dass es nur noch einen Bruchteil der mentalen Kapazität für wichtigere Denkprozesse wie das Aufsetzen der Agenda für das nächste Meeting zur Verfügung hätte.

Für unsere Neujahresvorsätze gibt es nur ein Problem: Das Gehirn unterscheidet nicht zwischen guten und schlechten Gewohnheiten. Hat sich ein Verhalten einmal eingeschliffen, ist es sehr schwer, es zu ändern, auch wenn wir uns das fest vornehmen. Das hängt damit zusammen, dass unsere Gewohnheiten als Routinehandlungen in den Basalganglien im Gehirn abgespeichert werden und dieser Teil des Gehirns nicht der willentlichen Steuerung unterliegt. Tritt ein bestimmter Reiz auf, wird energiesparend eine automatische Handlung, unsere Gewohnheit, auslöst und der Rest des Gehirns in einen Ruhezustand versetzt und damit quasi jede intensionale Steuerung abgeschaltet.

Wer weiß, wie Gewohnheiten funktionieren und wo sie ansetzen, der kann sie verändern.

Die Psychologin Wendy Wood von der University of Southern California hat in vielen Experimenten gezeigt, wie stark wir Situationen mit Gewohnheiten verknüpfen (vgl. Wood 2015). Das Resultat: Wer sein Verhalten ändern möchte, muss den Kontext ändern. Falls Sie zufällig gerade in eine neue Stadt gezogen sind oder den Arbeitsplatz wechseln, haben Sie das perfekte Szenario, um neue Verhaltensweisen zu etablieren. Viele der Reize, die „schlechte“ Angewohnheiten auslösen, fallen durch die neue Umgebung weg und eröffnen Ihnen dadurch die Möglichkeit neue Verhaltensweisen zu etablieren. Falls Sie gerade nicht ihre gesamte Lebensumgebung auf den Kopf stellen, reichen auch schon kleine Veränderungen in ihrer Alltagsumgebung: Wenn zum Beispiel gesunde Ernährung Ihr Ziel ist, stellen Sie ungesunde Lebensmittel in ein oberstes Regal, das nur mit Aufwand erreichbar ist oder ihre Laufschuhe direkt neben ihr Bett, wenn Sie sich eine morgentliche Joggingrunde zum Vorsatz genommen haben. Falls Sie eine „schlechte“ Gewohnheit ablegen möchten, finden Sie heraus durch welchen Kontext, welche Situation diese Gewohnheit ausgelöst wird und wie Sie diesen Reiz möglichst eliminieren können.

Wichtig zu wissen für die Etablierung einer neuen Gewohnheit: es kann dauern. Studien haben gezeigt, dass es zwischen 15 Tagen und 254 Tagen dauern kann, bis sich wirklich eine neue Gewohnheit herausbildet. Wichtigstes Kriterium für den Erfolg ist hierbei, dass es einen auslösenden Reiz gibt. Beispielsweise die Laufschuhe neben dem Bett oder das tägliche Glas Wasser vor dem Frühstück. Hilfreich ist es auch sich für die neuen Verhaltensweisen zu belohnen und zwar möglichst konkret. Die Belohnung sich irgendwann mal fit und schlank zu fühlen hilft hier wenig weiter. Vielleicht führen Sie eine Strichliste auf der Sie jede Joggingrunde abhaken und bei 10 Haken gibt es einen Saunabesuch oder Sie gönnen sich nach 5 Tagen gesunder Ernährung eine große Portion Eis.
Ein weiterer Mechanismus, der beim Etablieren der neuen Gewohnheit hilfreich ist, ist sich schon vorab zu überlegen, wie Sie mit Rückschlägen oder Planänderungen umgehen. Was wenn es glatt ist? Wenn Sie sehr früh aufstehen müssen, um sich auf eine Dienstreise zu machen? Wenn ein üppiges Geschäftsessen ansteht? Haben Sie auf diese Situationen eine Lösung, fühlen Sie sich nicht inkonsequent, und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, dass Sie weitermachen um ein Vielfaches.

Etablierte Gewohnheiten sind ein Selbstläufer.

Hat man die erste Hürde geschafft, einen neuen Auslösereiz zu etablieren, wird die Gewohnheit zum Selbstläufer. Menschen, die regelmäßig joggen gehen, drängt es früher oder später nach draußen. Leute, die es gewohnt sind, Obst zu essen, gelüstet es nach einiger Zeit quasi automatisch danach. Und falls Ihnen das alles zu aufwändig und wenig erfolgsversprechend klingt: der größte Trend bei den Neujahresvorsätzen waren in diesem Jahr „Not-To-Do-Lists“, vielleicht fallen Neujahrsvorsätze bei Ihnen exakt in diese Kategorie…..

Quellen:

  • Sheina Orbell & Bas Verplanken (2015) The strength of habit, Health Psychology Review, 9:3, 311-317, DOI: 10.1080/17437199.2014.992031
  • Stangl, W. (2020). Stichwort: ‚Gewohnheit‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.: https://lexikon.stangl.eu/6140/gewohnheit/ (2020-01-09)
  • http://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/02/Psychologie-Gewohnheiten/ (2020-01-09)
  • Wood, W., & Neal, D. T. (2007). A new look at habits and the habit-goal interface. Psychological Review, 114(4), 843–863. https://doi.org/10.1037/0033-295X.114.4.843