Werden die Deutschen immer glücklicher?

Pünktlich zum Mauerfall-Jubiläum kommt die gute Nachricht: Deutschland wird so zufrieden wie nie. Noch nie war die Lebenszufriedenheit der Deutschen so hoch wie 2019. (vgl. Post Glücksatlas 2019). Sie liegt aktuell bei 7,14 Punkten auf einer Skala von 0 bis 10. Das ostdeutsche Glücksniveau stieg auf das Allzeithoch von 7,0 Punkten, das ist der höchste Wert, der jemals seit dem Mauerfall vor 30 Jahren gemessen wurde. Der Unterschied zwischen Ost und West löst sich zunehmend auf.

Der diesjährige Anstieg ist auch deshalb bemerkenswert, als dass gefühlt negativ besetzte Themen wie Klimawandel, drohender Konjunkturrückgang, weltweite Krisenherde und der zunehmende Rassismus in Deutschland die beherrschenden Themen in den Medien sind. Umso schöner und erstaunlicher ist es doch, dass Menschen, wenn man sie gezielt fragt, wie zufrieden sie eigentlich mit ihren Lebens- und Arbeitsumständen sind, mehrheitlich antworten: wir sind zufrieden — auf einer Skala von 0 bis 10 bei einer überdurchschnittlichen 7.

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Schleswig-Holstein führt, wie in den vergangenen Jahren auch, die Rangliste der glücklichsten Deutschen an, gefolgt von einem aufstrebenden Hessen; das Schlusslicht bildet erneut Brandenburg. Und jetzt stellt sich die spannende Frage: was ist in Schleswig-Holstein anders und was können wir von der glücklichsten Region Deutschlands lernen? Die Menschen in Schleswig-Holstein schätzen ihre Wohn- und Freizeitsituation als überdurchschnittlich glücklich ein und sind — obwohl die Anzahl der über 65 jährigen über dem Bundesdurchschnitt liegt — sehr zufrieden mit ihrem Gesundheitszustand. Auffällig ist außerdem, dass mehr Menschen als im Bundesdurchschnitt in Familien oder festen Partnerschaften leben. Die Grundpfeiler für die Lebenszufriedenheit in Schleswig-Holstein sind gemeinsame (Freizeit) Erlebnisse, gute Gesundheit, Familie und soziale Beziehungen.

Überdurchschnittliches Einkommen macht nicht überdurchschnittlich glücklich

Hohes Pro-Kopf-Einkommen wie im wohlhabenden Baden-Württemberg ist indes kein Indikator für Lebenszufriedenheit. Auch wenn man intuitiv erwarten würde, dass Menschen mit höherem Einkommen auch glücklicher und zufriedener sind, findet sich aus wissenschaftlicher Sicht keine Bestätigung für einen solchen Zusammenhang (vgl. Easterlin et al. 2010). Durch empirische Studien unter dem Begriff „Happiness-Income-Paradox“ fanden Forscher, dass eine Veränderung des Bruttosozialprodukts über die Zeit keine Veränderung der Lebenszufriedenheit der Menschen bedeutet, d.h. im Klartext, steigt der durchschnittliche Wohlstand eines Landes, erhöht sich also das Bruttosozialprodukt, führt das nicht zu einer Erhöhung der Lebenszufriedenheit der Menschen, zumindest wenn das Einkommen über einem bestimmten Schwellenwert liegt. In den USA liegt dieser Schwellenwert z.B. bei ca. 75.00 US Dollar, das entspräche gut 60.000 € Bruttohaushaltseinkommen jährlich. Habe ich mehr als den Schwellenwert zur Verfügung trägt eine Steigerung des Einkommens nicht zu mehr Glück und Zufriedenheit bei (vgl. Kahnemann & Deaton, 2010). Der Glaube, dass ich, wenn ich mir den teureren Urlaub, das bessere Auto oder die größere Wohnung leisten kann endlich glücklich und zufrieden bin, ist leider ein Irrglaube, und dennoch streben wir immer nach mehr.

Gesundheit, Familie und gemeinsame Erlebnisse machen glücklich

Mit ihrer Einschätzung, dass Erlebnisse, Gesundheit und soziale Beziehungen ausschlaggebend für das eigene Glück sind, sind die Schleswig-Holsteiner nicht allein, vielmehr bestätigen sie auf eindrucksvolle Weise Erkenntnisse der Glücksforschung. Eine Studie, die sich mit der Frage beschäftigt hat, was Menschen glücklicher macht — ein kürzlich Erlebnis oder ein materieller Kauf — kommt zu dem Schluss, dass uns Erlebnisse zufriedener machen (vgl. z.B. Van Boven & Gilovich, 2003). Auch Waldinger & Schulz (2010) berichten in einer Langzeitstudie, dass „[…] ein direkter Zusammenhang besteht zwischen Zeit, die mit Anderen verbracht wurde […] und täglichem Glücksempfinden“. Sie können also mit gutem Gewissen die nächsten Konzertkarten oder Fußballtickets erstehen, wissenschaftlich gesehen tun Sie sich wahrscheinlich mehr Gutes, als das Geld in teure Klamotten oder das nächste Gadget zu investieren. Und vielleicht erleichtern diese Ergebnisse ja auch die Auswahl der anstehenden Weihnachtsgeschenke…

Auch der positive Einfluss von sozialen Bindungen auf die Gesundheit ist gut belegt. So berichten Waldinger et al. (2014), dass soziale Bindungen ein Schlüssel für Gesundheit und Wohlbefinden sind. Genau diese Kombination scheinen überdurchschnittlich viele Schleswig-Holsteiner bei sich vorzufinden. Wichtig ist hier die Unterscheidung zwischen sozialen Kontakten und sozialer Bindung, gemeint sind tragfähige, stabile Beziehungen — in der Partnerschaft, genauso wie in der Familie oder im Freundeskreis — und nicht die Anzahl an Facebook-Freunden und Fitnessstudio-Kontakten. Anders ausgedrückt, welcher Person in ihrem sozialen Umfeld würden Sie erzählen, wie es ihnen gerade wirklich geht? Angenommen, es ginge Ihnen nicht gut, wen würden Sie nachts um drei anrufen? Wahrscheinlich werden Ihnen — im Glücksfall — zwei oder drei Personen einfallen, mit denen Sie sich sehr wohl fühlen. Vielleicht ist es an der Zeit, diesen Personen zu sagen, wie wertvoll sie für Sie sind, und das nächste gemeinsame Event miteinander zu planen – wie wäre es beispielsweise mit einem Urlaub in Schleswig-Holstein ….?

Quellen:

  • Deutsche Post Glücksatlas 2019, Bonn
  • Easterlin, R. A., McVey, L. A., Switek, M., Sawangfa, O., & Zweig, J. S. (2010). The happiness-income paradox revisited. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 107(52), 22463–8.
  • Kahneman, D., & Deaton, A. (2010). High income improves evaluation of life but not emotional well-being. Proceedings of the National Academy of Sciences, 107(38), 16489–16493.
  • Van Boven, L., & Gilovich, T. (2003). To Do or to Have? That Is the Question. Journal of Personality and Social Psychology, 85(6), 1193–1202. http://doi.org/10.1037/0022-3514.85.6.1193
  • Waldinger, R. J., Cohen, S., Schulz, M. S., & Crowell, J. A. (2014). Security of Attachment to Spouses in Late Life. Clinical Psychological Science (Vol. 3).
  • Waldinger, R. J., & Schulz, M. S. (2010). What’s love got to do with it? Social functioning, perceived health, and daily happiness in married octogenarians. Psychology and Aging, 25(2), 422–431. https://doi.org/10.1037/a0019087; https://www.adultdevelopmentstudy.org/datacollection