Was können wir konkret tun – um die richtigen Entscheidungen für ein erfüllteres Leben zu treffen, den inneren Schweinehund zu überwinden und gute Ideen in die Tat umzusetzen?
Dies ist Teil 2 eines Beitrags, der sich mit der Frage beschäftigt warum es uns so schwerfällt, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, die uns ein erfüllteres Leben ermöglichen. Teil 1 finden Sie hier.
Goldene Regeln
Um die schwierigen Entscheidungen des Alltags leichter treffen zu können, hilft oft ein Blick auf das „Warum“ darin oder das „Was“ dahinter. Hinter vielen der Grenzenlos – Begrenzung Gegensätze, die uns das Leben schwer machen und die uns Kompromisse abverlangen lassen sich wiederkehrende, tiefer liegende Dilemmata erkennen.
Bei mir sind diese z.B.
- Zeit (bzw. Freiheit) – Geld:
die Balance finden zwischen mehr Arbeit (Gigs, Bonus, Beförderung, etc.), die Rechnungen bezahlt, und freier entscheiden zu können, wofür ich meine Zeit/Energie/Motivation einsetze - Body – Mind:
die Verbindung finden zwischen Bauchgefühlen und das, was der rationale Verstand von diesen hält – insbesondere bei allem, das vor der Bewusstseinsgrenze liegt, also das noch-nicht-ganz-wahrgenommene Gespür in der Magengegend und das Unterbewusstsein
Diese „Metakompromisse“ sehen bei Ihnen vermutlich anders aus, doch was unseren gemein sein wird, ist, dass sich in diesen viele Ihrer schwierigen Entscheidungen im Alltag wiedererkennen lassen. Und jetzt kommt der Clou: wenn Sie für die Metakompromissen ein paar goldene Regeln finden, lassen sich diese meist auch bei den eher alltäglichen Entscheidungen einsetzen. Anders gesagt: Wenn ich mir einmal die Mühe gemacht habe, mit System 2 Regeln für die zugrundeliegend Kompromisse zu entwickeln, schaffe ich mir dadurch eine Eselbrücke ins System 1, die mich im Alltag leichter und intuitiver entscheiden lässt.
Ein Beispiel: Ich habe erkannt, dass mir ein Mehr an Freiheit deutlich wertvoller ist als ein Mehr an Geld.
Eine meiner Regeln lautet daher: solange ich monatlich Betrag X an Einkommen beitrage, um den Lebensstandard meiner Familie zu ermöglichen, darf ich zu Mehrarbeit, die ich nicht gern tue, einfach „nein“ sagen.
Natürlich funktioniert diese Regel nur, wenn ich dabei eine Absicherung für das Alter und Notfälle nicht vergesse und umgekehrt muss ich, wenn ich nicht genug beitrage, aktiv zusätzliche Einkommensquellen finden. Die Regel lässt sich aber auch für (optionale) Ausgaben anwenden, wenn ich sie umformuliere in die Frage „ist es mir das wert, ein Teil meiner Freiheit zu opfern, um die Kosten dafür zu verdienen?“ – und war in dieser Form Grundlage für die gemeinsam getroffene Familienentscheidung, unseren Lebensstandard bewusst etwas zu senken (mehr dazu im Blogartikel zu einem Glücksoptimierten Cashflow). Weniger Konsum für mehr gemeinsame Familienzeit.
Ein zweites Beispiel: Ich weiß inzwischen, dass mein Bauchgefühl schwächer als mein Verstand ausgeprägt ist, und ich dadurch eher mit dem Kopf entscheide, obwohl meine Bauchentscheidung im Nachhinein manchmal besser gewesen wäre.
Eine andere meiner Regeln lautet daher: Nachdem eine Entscheidung gedanklich getroffen ist, warte mindestens einen Tag, bevor Du sie umsetzt und versuche zu spüren, wie sich diese umgesetzt anfühlen würde.
Wenn ich mich nach einer gewissen Zeit immer noch wohl dabei fühle, wird sie umgesetzt. Wenn mir allerdings irgendetwas merkwürdig vorkommt, versuche ich zu ergründen, was mir mein Bauchgefühl sagen möchte, anstatt es mit rationalen Argumenten zu bombardieren. Und über die Zeit lerne ich langsam die eher unterbewussten Signale z.B. als Wut, Enttäuschung, Angst, Stolz, etc. besser wahrzunehmen und diese in der Entscheidung zu berücksichtigen.
Trainertipps für Schweinehundbesitzer
Neben der Effizienz von Entscheidungen können wir natürlich auch direkt auf die Trägheit der Umsetzung abzielen und versuchen, unseren Schweinehund zu überlisten. Hier ein paar Tipps aus meiner Trickkiste – vielleicht ist etwas für Sie dabei:
- Time Boxing: Ein positiver Anreiz, der für mich wunderbar funktioniert sind feste, kurze Zeiteinheiten. Das Problem vieler Ideen und Entscheidungen zu einem erfüllteren Leben sind, dass sie groß, komplex und langwierig erscheinen – selbst wenn man versucht, sie in kleine Schritte oder immer noch gefühlt schwer bezwingbare Teilergebnisse herunterzubrechen. Eine Anweisung wie z.B. „schreibe jetzt genau 60 Minuten etwas zu dieser Idee, dann darfst Du für heute aufhören“ umgeht dieses Problem, da das Ergebnis nicht festgelegt ist und man kaum scheitern kann. Das ermöglicht es mir, die Übung mit einem positiven Gefühl zu beenden und macht es morgen vielleicht sogar noch einfacher dies zu wiederholen. Gleichzeitig hilft die baumelnde Karotte „in einer Stunde ist es vorbei“ dem Schweinehund kurz den Mund zu halten.
- 1-2-3 los: Manchmal scheitert es einfach schon beim ersten Aufraffen – oder in meinem Fall beim früh morgens aufstehen. Ein simpler Trick, der mir hilft ist laut bis drei zu zählen und sich bei „3“ direkt hinzustellen (oder das erste Wort schreiben oder mit welcher Aufgabe auch immer zu starten). Es ist dabei vollkommen egal ob das Wort gut ist, ob Sie geradestehen, etc. es geht darum so schnell wie möglich nach dem Gedanken „ich sollte mal…“ zu starten, und so den inneren Schweinehund zu überraschen, bevor er sich eine Ausrede ausdenken kann.
- Die Kraft eines fixen Termins: Sie kennen bestimmt den Spruch: „alles dauert immer genauso lang, wie viel Zeit dafür übrig ist.“ Ein fester Termin im Kalender beeindruckt den Schweinehund und lässt ihn schwächer werden, je näher die Deadline kommt. Das funktioniert am besten mit konkreten Teilschritten mit einem Termin in wenigen Tagen oder Wochen und sogar, wenn ich mir den Termin nur selbst setze – aber noch besser in Verbindung mit dem folgenden Punkt:
- Sich verpflichten, gegenüber Anderen oder dem Selbst: Wenn ich meine Idee jemand anderem gegenüber laut ausspreche, hat das zwei Effekte. Die Idee hat als ausgesprochenes Wort erste Gestalt angenommen und ist einen kleinen Schritt realer geworden. Zweitens übt ein jemand anderem gesagtes Wort einen gewissen sozialen Druck aus, Taten folgen zu lassen – denn was sollen die anderen sonst von mir denken? Und je konkreter diese soziale (oder Selbst-) Verpflichtung ist, z.B. durch Deadlines oder eine Beschreibung der ersten Schritte, umso weniger Spielraum gebe ich meinem Schweinehund für Ausreden.
- Den Schweinehund belohnen: Hunde lernen am besten durch positive Verstärkung. D.h. wenn ich meinen Schweinhund mit einer gewissen Zeit (time boxed) für bewusstes Faulenzen belohne, kann ich ihm im Gegenzug etwas mehr Ruhe für mein anstrengendes Projekt abverlangen. Ich muss meinen Schweinehund auch nicht zwingend immer als Feind sehen, denn viele der Dinge, die ihm gefallen, mache ich vielleicht auch gern, z.B. ein Spaziergang in der Sonne.
- Kreativer Druck im Unterbewusstsein: Sie kennen das bestimmt – gute Ideen tauchen plötzlich unter der Dusche oder in ähnlichen, meist entspannten Situationen auf. Das liegt wohl nicht daran, dass sich unser Hirn erst in der Dusche plötzlich mit der Idee befasst, sondern dass größere Fragen und Probleme in unserem Unterbewusstsein gären und verarbeitet werden (Stichwort: Träume…) -und dann irgendwann als Lösung wieder auftauchen, wenn gerade wenig äußere Signale von oben reinfließen. Das Schöne am Unterbewusstsein ist, dass es auch dem Schweinehund verborgen bleibt – und das kann ich mir zunutze machen. Man nehme dazu:
A) Eine Fragestellung, die eine kreative Lösung braucht und zermartere sich darüber bewusst ein paar Minuten das Hirn (gern das Problem überspitzen und keine Lösung finden – ihr Unterbewusstsein muss den Druck spüren)
B) Direkt im Anschluss eine entspannende Tätigkeit, die ein wenig vom Thema ablenkt, aber keine allzu große Aufmerksamkeit erfordert (Spaziergang, Aufräumen, Kaffeepause, etc.)
C) Etwas Geduld
Häufig kommt nach einer gewissen Zeit eine Antwort oder neue Impulse, an denen Ihr Unterbewusstsein gearbeitet hat, ohne das ihr Schweinehund es überhaupt mitbekommen hätte
Nicht jeder Tipp passt zu jeder Situation und ich experimentiere immer gern mit neuen Ansätzen herum, falls Sie also noch Tipps für mich haben, freue ich mir immer über Feedback – sei es mit oder ohne die (vielleicht etwas übertrieben verwendete?) Symbolik des Schweinehundes.
Die Grenzen der Kontrolle
Um auf meine Eingangsfrage zurückzukommen: Wie können wir dafür sorgen, dass es uns weniger schwerfällt, das zu tun, was uns eigentlich glücklich machen würde?
Über einen ganz wesentlichen Aspekt dazu haben wir noch gar nicht gesprochen: Es ist schlichtweg unmöglich alle schwierigen Entscheidungen des Alltags unter System 2 Kontrolle bekommen oder den inneren Schweinehund endgültig zu besiegen. Und das ist auch gut so! Ein Teil des Unglückserlebens von „High Performers“ in unseren Trainings liegt vermutlich darin, dass sie zu oft versuchen, etwas Schwieriges zu ändern und sich schlecht fühlen, zu wenig tatsächlich zu schaffen. Manche Dinge brauchen Zeit und ihren eigenen Lauf. Eine der höchsten Künste ist es bewusst im Moment zu leben und positive und gelegentlich auch negative Erfahrungen als Bestandteil eines erfüllten Lebens zu genießen. Ohne vergebliche Versuche der Steuerung jenseits des Kontrollierbaren.
Für die Versuche diesseits des Kontrollierbaren können – von Zeit zu Zeit – vielleicht die folgenden Schritte die Erfolgsquote etwas erhöhen:
- Bewusstsein für Metakompromisse zu entwickeln, die bei unseren schwierigen Entscheidungen häufig zugrunde liegen (Body – Mind, Freiheit – Geld, etc.)
- Ein paar goldene Regeln für diese Kompromisse zu entwickeln, die es mir erleichtern schwierige Entscheidungen im Alltag effizienter zu treffen
- Den inneren Schweinehund austricksen – mit Zuckerbrot und Peitsche nach allen Regeln der Kunst
Literatur und Links
- D. Kahneman (2011): Thinking, fast and slow
- https://de.wikipedia.org/wiki/Innerer_Schweinehund
- https://zentor.de/kompromisse-und-schweinehunde/
- https://zentor.de/wieviel-geld-brauche-ich-wirklich/
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