Leben Optimisten länger?

Eine neue PNAS Studie* hat herausgefunden, dass optimistische Menschen 11-15% längere Lebenserwartung aufwiesen als pessimistische. Als pessimistischer Realist sehe ich das natürlich erst einmal skeptisch… Aber nachdem Realisten in der Studie nicht explizit erhoben wurden, braucht es vielleicht auch kein Urteil darüber. Aber Pessimisten aufgepasst – wenn ihr so weiter macht, werden eure Befürchtungen vielleicht zur selbsterfüllenden Prophezeiung!

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Jetzt aber erst einmal von Anfang an:
Es gibt viele Forschungsprojekte, die Langlebigkeit bei Menschen untersuchen, und einige davon laufen schon – Achtung Flachwitz – seit laaaanger Zeit. Ein Problem bei Langzeitstudien ist immer, dass es schwer ist „Laborkonditionen“ oder echte Experimente (im wissenschaftlichen Sinne) durchzuführen – denn wer lässt sich schon gern ein Leben lang als Versuchskaninchen einsperren oder seine gesamte Umwelt, Verhalten, etc. von irgendeinem verrückten Professor kontrollieren.

Nachdem man also die Einflussfaktoren auf Langlebigkeit nicht steuern kann, versucht man diese wenigstens so gut wie möglich zu erfassen und dann durch statistische Modelle die Bedeutung einzelnen Faktoren mathematisch zu erschließen. Meist werden biologische Faktoren, Gesundheit, Umweltvariablen oder das Verhalten von Studienteilnehmern untersucht. Zwei bekannte Studien in diesem Bereich sind einmal die Adult Development Study* mit Teilnehmern der Harvard University und aus Boston und die Blue Zones Forschung, die fünf Regionen in der Welt untersucht, in denen besonders viele Menschen leben, die über 100 Jahre alt sind.

Eine Erkenntnis der Adult Development Study, die einen Fokus auf zwischenmenschliche Faktoren legt ist, dass gute soziale Bindungen zu besserer Gesundheit und höherer Lebenszufrieden im Alter führen** – dass wir als soziale Wesen also Verbundenheit und Wertschätzung suchen (Wertschätzung ist einer der drei Faktoren in unserem zentor Modell). Die Blue Zones Forschung untersucht u.a. Gemeinsamkeiten in den fünf Regionen für Langlebigkeit, und hat neun Faktoren ausgemacht, die mit höherem Lebensalter korrelieren***. An den ersten beiden Stellen stehen natürliche Bewegung und tieferer Sinn (Sinn ist ein zweiter Faktor in unserem zentor Modell, neben Engagement), soziale Beziehungen sind auch dabei. Eine neuere (noch nicht peer reviewed) Studie**** stellt übrigens einige der Auswahlkriterien für die 5 Blue Zone Regionen in Frage, das sei hier aber nur am Rande erwähnt. So oder so ein spannendes Forschungsfeld.

Die aktuelle PNAS Studie stellt nun den Zusammenhang zwischen Optimismus und Langlebigkeit her. Zwei Kohorten (einmal Frauen einmal Männer) wurden über einen Zeitraum von 10 bzw. 30 Jahren untersucht, in dem Antworten auf Fragebögen, die Optimismus als Persönlichkeitseigenschaft oder Lebenseinstellung erfasst in Bezug zu (späterer) Lebenserwartung gesetzt wurden. Und in der Tat, die Gruppe der „Optimisten“ (oberes Viertel bzw. Fünftel auf den jeweiligen Skalen) hatte eine bis zu 14.9% höhere Lebenserwartung als die Pessimisten – der Einfluss war fast so groß wie niemals eine Diabetes Diagnose erhalten zu haben. Böse überspitzt: „Zucker oder Optimist?“. Und auch nachdem die Ergebnisse mathematisch um Verhaltensdaten und Gesundheitsfaktoren kontrolliert wurden, blieben signifikante Unterschiede bestehen. In der Diskussion verweisen die Autoren dann wie viele andere in dem Forschungsbereich auch auf die Bedeutung psychosozialer Gesundheit für langes, erfüllendes Leben.

Was lernen wir daraus – müssen wir ab sofort alles optimistisch sehen um länger gesund zu bleiben? Wohl kaum. Was aber wohl wichtig zu sein scheint, ist, dass optimistische Menschen sich oft Ziele setzen, und die Zuversicht haben, diese zu erreichen. Denn bei Rückschlägen stehen Optimisten wieder auf. 

Man kann Optimismus anscheinend auch lernen. „Wozu soll das gut sein?“  fragt sich allerdings der Pessimist. Der Realist antwortet: Es geht nicht um Pessimismus oder Optimismus, es geht um Selbstwirksamkeit. Es geht darum, sich ein Ziel zusetzen und daran zu glauben, dass man es auch umsetzen kann. Ein Ziel das Sinn stiftet, das Wertschätzung ermöglicht und Energie für Engagement liefert (siehe unser zentor Modell). 

Solange ich überzeugt bin, dass ich etwas bewegen kann, werde ich wieder aufstehen. Das ist kein Optimismus, das ist Selbstwirksamkeit. Und die kann man lernen. Alles eine Frage der Einstellung.

Ausgewählte Literatur:
* Lee, L. O. et al. (2019). Optimism is associated with exceptional longevity in 2 epidemiologic cohorts of men and women. Proceedings of the National Academy of Sciences, 201900712. 
** Waldinger, R. J., Cohen, S., Schulz, M. S., & Crowell, J. A. (2014). Security of Attachment to Spouses in Late Life. Clinical Psychological Science(Vol. 3)
*** Buettner, D. & Skemp, S. (2016). Blue Zones: Lessons From the World’s Longest Lived. American Journal of Lifestyle Medicine, 10(5), 318–321.
**** Newman, S. J. (2019). Supercentenarians and the oldest-old are concentrated into regions with no birth certificates and short lifespans. BioRxiv, 704080.