Es gibt tausende Anleitungen für das Streben nach Glück. Viele sind miserabel, einige akzeptabel, manche inspirierend. Kann bitte mal jemand die verschiedenen Anleitungen zu einem Ansatz zusammenfassen der Sinn macht? Ohne Räucherstäbchen-Esoterik und Batik-T-Shirt-Flair?
Ja. Bitteschön.
Warum gibt es überhaupt Anleitungen zum Glücklichsein? Es sollte uns eigentlich richtig gut gehen. Der Wohlstand ist gestiegen. Wesentliche Nahrungsmittel sind ausreichend vorhanden. Die medizinische Versorgung hat sich massiv verbessert. Die Lebenserwartung steigt. Warum steigt also die Anzahl der Diagnosen zu psychischen Erkrankungen proportional zu den Regalmetern für Selbsthilfebücher? Warum werden wir immer unglücklicher je besser es uns eigentlich geht?
Viele Gründe. Unter anderem sind nicht nur unsere Ansprüche gestiegen, auch ist der schnelle Glückskick (Amazon, Instagram, Netflix…) zu einfach geworden, ist abgestumpft und hat uns abhängig gemacht — irgendwie fühlte er sich sowieso schon immer hohl an. Psychologen nennen das Habituation. Egal, kurz shoppen gehen wird es schon richten … kurzfristig zumindest.
Wir wollen Bequemlichkeit und keine Ratschläge der alten Philosophen, dass sich ein erfüllendes Glücksgefühl nur durch Anstrengung einstellt. Wir wollen Flow auf Amazon bestellen, und nicht dafür Aufgaben im schmalen Grad zwischen Langeweile und Angst for Überforderungen lösen müssen. Wir suchen den kürzesten Weg zum Glück. Und dafür brauchen wir Anleitungen. Und Yoga. Und Meditation. Aber bitte schnell und einfach.
Wir sind also auf der Suche. Auf der Suche nach Glück, nach Erfüllung, nach Sinn. Und einer Abkürzung wie wir dahin kommen. Doch welche nehmen? Wenn man einmal von dem Meer an selbsternannten Lebenshilfe-Coaches absieht und sich auf halbwegs wissenschaftlich fundierte Ansätze konzentriert, bleiben zum Glück nur wenige wirklich relevante Ansätze übrig — und die haben viele Gemeinsamkeiten. Viele davon sind schon seit Jahrtausenden durch fernöstliche Religionen, Traditionen von Naturvölkern und Philosophen der Antike bekannt. Leider gibt es auch keine echten Abkürzungen — dafür aber einige spannende Ansätze, die die Suche nach Glück etwas einfacher machen.
Sie wollen gleich die kurze Antwort und nicht erst die Beschreibung der verschiedenen Ansätze? Einverstanden, die einzelnen Ansätze sind weiter unten beschrieben, hier die Zusammenfassung: Mich inspirieren vor Allem die populärwissenschaftlichen 3Ps (People, Purpose, Passion), das PERMA Modell von Seligman und Ideen aus dem Design Thinking Ansatz. Aber erst durch eine Kombination einiger Modelle lassen sich wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse auch gut in der Praxis anwenden.
Wie könnte nun so ein kombiniertes Modell aussehen? Zum Beispiel so:
Leben verstehe ich dann als „erfüllt“, wenn es regelmäßig von individuellen Momenten der Freude und des Flows geprägt ist. Die drei wesentlichen Quellen für diese Momente sind Sinn, Engagement, und Wertschätzung.
Tieferen Sinn finden wirdurch Betätigung mit Dingen die größer als wir sind und zu unseren Werten passen (rationale Ebene).
Als soziale Wesen suchen wir Wertschätzung undRückbestätigung wichtiger Mitmenschen und geben diese gern zurück (soziale & individuelle Ebene).
Engagement oder Begeisterung spüren wir für Aktivitäten die uns gefallen und die wir gut können (emotionale Ebene). Leidenschaft bzw. Engagement liefert uns auch die lebensnotwendige Energie für Alles andere.
Die Voraussetzungen, dass wir regelmäßig auf diese drei Quellen zugreifen können, sind einerseits persönliche Faktoren wie ein gutes Verständnis unserer Identität, Wille, relevante Fähigkeiten und gute physische Gesundheit, sowie andererseits eine gut funktionierende Gesellschaft im Einklang mit unserer Umwelt — die zwei Stützen im Modell.
Erfüllung oder Glück ist natürlich nach diesem Verständnis kein Zustand sondern ein fortlaufender Prozess. Auch lässt sich Glück nicht auf einem Silbertablett “liefern” sondern erfordert ein pro-aktives Gestalten des eigenen Lebens. Folglich sind die persönlichen Faktoren zentral um das Model in der Praxis auch anwenden zu können:
- Ein gutes Verständnis der eigenen Identität, insbesondere der Werte und Stärken
- Wille, Mut und Bereitschaft zur Veränderung
- Fähigkeiten mit Veränderung umzugehen und Wege zu einem erfüllenden Leben zu finden
- Gute physische Gesundheit durch ausreichend Schlaf, Bewegung und ausgewogene Ernährung.
All diese Faktoren unterstützen dabei die wesentliche Quellen für Momente der Freude und des Flow zu finden, und in ein erfüllendes Leben zu integrieren. Und jeder dieser Faktoren kann durch diverse Techniken trainiert und gestärkt werden.
Das kombinierte Modell nutzen wir übrigens bei zentor auch zur Entwicklung eines digitalen Mentors für ein erfüllendes Leben. Wenn Sie mehr über unsere “purpose platform” erfahren wollen oder das Modell einfach mal ausprobieren, melden Sie sich einfach bei unser Purpose Plattform an
Und für alle die nun eine Stufe tiefer einsteigen wollen: Hier eine sehr vereinfachte und kurze Darstellung verschiedener Ansätze zu Glück, die mich ansprechen.
Ansätze aus der Psychologie
Wenn man heute von Glücksforschung spricht kommt man an der Disziplin der Positive Psychology nicht vorbei. Martin Seligman leistet als Begründer heute noch Pionierarbeit um der Psychologie neben dem traditionellen Fokus auf Krankheitsbilder auch einen positiven Spin zu geben.
Sein PERMA Model zu einem glücklichen Leben ist wissenschaftlich eines der besser fundierten und besteht sehr vereinfacht aus:
- Positive Emotions (wohldosierte Glückskicks & Freuden)
- Engagement (Stärken einsetzen)
- Relationships (Wertschätzung von und für wichtige Mitmenschen)
- Meaning (ein tieferer Sinn)
- Accomplishment (Zielerreichung)
Fast genauso wichtig in der Disziplin der Psychologie ist Mihály Csíkszentmihályi, der Flow erforscht und damit in etwa ein beglückend erlebtes Gefühl völliger Vertiefung (Konzentration) und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit (Absorption) beschreibt. Flow liegt genau in dem Band zwischen Überforderung und Unterforderung einer Person für eine Tätigkeit. Für Flow sind also nicht nur die Aufgabe an sich relevant, sondern inbesondere die Schwierigkeit der Aufgabe und die Fähigkeiten der Person diese zu bewältigen.
Schon etwas betagter und trotzdem erwähnenswert bleibt die Bedürfnispyramide von Maslow, nach der auf Erfüllung der Grundbedürfnisse (Physiologische Bedürfnisse und Sicherheit), und psychologischer Bedürfnisse (soziale Bedürfnisse und Individualbedürfnisse) die Selbstverwirklichung folgt. Die Erfüllung dieser kommt dem Begriff des Glücks am nächsten und beschreibt den Wunsch, das eigene Potential voll auszuschöpfen — also das zu erreichen, was einem anlagebedingt möglich ist. In einem späteren Aufsatz ergänzte Maslow (neben zwei Zwischenstufen) noch die Spitze der Pyramide umTranszendenz, also die Suche nach Gott oder einer das Selbst überschreitenden Dimension.
Philosophische Ansätze
Viele antike Philosophen befassten sich mit dem Sinn des Lebens, und warum und wann ein Leben lebenswert (sprich erfüllend) sei. Zentral für diese Frage ist häufig die Suche nach allgemeingültigen Werten — die häufig an Moral, Ethik und gesellschaftliches Zusammenleben gekoppelt sind.
Der Ansatz des griechischen Philosophen Aristoteles ist hier wohl am relevantesten. Nach diesem wird Eudaimonía (Glück) erreicht durch Streben nach dem obersten Gut — nach dem was nur Selbstzweck ist und keinen anderen Zweck verfolgt. Dieser Selbstzweck wird nicht eindeutig definiert, steht aber im Einklang mit ethisch-moralischen Zielen und der “spezifischen Funktion” (ergon) eines Menschen, die sich aus seinen speziellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und seiner Vernunft ergibt. Diese Funktion zu erfüllen und seine Fähigkeiten zu entwickeln ist “gut” und führt zu Glück.
Eher praxisorientierte Ansätze
Aus dem populärwissenschaftlichen Raum ist insbesondere das Konzept der 3Ps von Bedeutung. Als die drei wesentlichen Quellen für ein erfüllendes Leben gelten dabei:
- Purpose (tieferer Sinn)
- People (Wertschätzung von und für Mitmenschen)
- Passion (Begeisterung für bestimmte Themen)
Der 3P Ansatz hat sich inzwischen sowohl in ökonomischen Kontexten (z.B. als Führungsmodell oder in Marketing) als auch in der Lebensplanung mehrfach bewährt.
Ein spannender Ansatz für den Prozess, wie man ein erfüllendes Leben findet, ist Design Thinking. Die Leiter des Product Design Programms der Uni Stanford Bill Burnett und Dave Evans beschlossen ihren Studenten bei der Berufswahl zu helfen, und dazu Ideen der positive psychology mit Techniken aus Design Schulen zu verbinden. Anstatt ein fernes Ziel zu verfolgen, gilt es in Designing Your Life ein paar Grundwerte festzulegen und auf Basis von Aktivitäten die Freude bereiten und Kreativtechniken neue Optionen für Job & Leben zu finden — und diese durch schnelles Prototyping einfach auszuprobieren.
Prinzipien aus Fernost
Ohne Anspruch auf jegliche Vollständigkeit und leider nur mit einem rudimentären Verständnis meinerseits hier noch eine Auswahl von Ansätzen aus östlichen Kulturräumen. Aus Japan kommt das Konzept des Ikigai (das, wofür es sich lohnt zu leben), das aus einer Verknüpfung von vier Bereichen entsteht: Was man gut kann, was man gern tut, was die Welt braucht und wofür man entlohnt werden kann.
In einer Längsschnittstudie (Ohsaki Study) wurde übrigens auch eine längere Lebenserwartung für Menschen festgestellt, die ihr Ikigai gefunden haben.
Zen ist eine im 5. Jahrhundert in China entstandene Form des Buddhismus, die bewusst auf große Weisheiten oder religiöse Doktrin verzichtet. Zen bedeutet, das Leben in seiner ganzen Fülle zu leben — ohne es mit der Vernunft begreifen zu wollen. Zen konzentriert sich auf das Erleben und Handeln im Hier & Jetzt und zielt darauf ab den (fortwährend aktiven und) selbstbezogenen Geist zur Ruhe zu bringen. Zen wird v.a. praktiziert durch Meditation und Konzentration auf die Gegenwart. Erfüllung wird gefunden durch die Wahrnehmung des Augenblicks und das Aufgeben des Selbst, um zur Erkenntnis zu gelangen eins mit Allem zu sein — nur ein Teil eines großen Ganzen.
Laut den Lehren des chinesischen Philosophen Konfuzius findet der Mensch Erfüllung durch lebenslanges Lernen. Sein Ideal für einen Menschen war das „Edle“ im Sinne eines moralisch Guten, ähnlich wie die griechischen Philosophen. Moralisch gut wird der Mensch indem er Harmonie mit dem Weltganzen findet, durch Gleichmut und Gleichgewicht — den Weg dorthin sah Konfuzius vor allem in der Bildung.
Zum Abschluss
Vielleicht liefert diese kleine Übersicht Glücklicher Ansätze Ihnen den ein oder anderen Denkanstoß. Und ich hoffe Sie sind nicht zu sehr enttäuscht, dass es keine wirklichen Abkürzungen zum Glück gibt, zumindest keine nachhaltigen. Vielleicht lässt sich die Suche zum Glück allerdings ein bißchen vereinfachen, insbesondere mit dem kombinierten Modell — was denken Sie?
Wenn Sie das Thema interessiert, Sie in die Diskussion einsteigen oder einfach nur mehr erfahren wollen, freue ich mir über Ihre Kommentare.
Wir entwickeln mit zentor das kombinierte Modell weiter — auf Basis psychologischer Erkenntnisse, wissenschaftlicher Forschung und technischer Lösungen — um möglichst vielen Menschen einen digitalen Mentor auf unserer Purpose Plattform auf dem Weg zu einem erfüllenden Leben zur Seite zu stellen.